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Giessener Anzeiger, 16.06.2012

 

Lösers haben „Doppelehe“ beendet

Von Christian Nemeth

Mit Saisonabschluss ist auch Ehrenamts-Engagement der Lindener als Sekretär und Zeitnehmer ausgeklungen

LINDEN. Friedel und Anita Löser aus Großen-Linden haben den Sport schon immer gelebt. Nicht nur jeder für sich, sondern vor allen Dingen auch gemeinsam. Dem Ehepaar hat es vor allem der Handball angetan, für den sie in ihrem Leben bereits zahlreiche Ehrenämter übernommen haben. So waren sie fast 30 Jahre als Klassenleiter im Jugend- und Aktivenbereich tätig, sie wirkten als Schiedsrichter und machten sich zudem als Sekretäre und Zeitnehmer, sogar bei Bundesliga- und Europapokalpartien, aufgrund ihrer Zuverlässigkeit einen Namen. Viele dieser Tätigkeiten betrieben sie parallel.

Anita und Friedel Löser sitzen zukünftig nicht mehr am Sekretärtisch bei Handballspielen. Foto: Heli

Seit Anfang des Jahres zieht sich das Ehepaar langsam aus seinem sportlichen und ehrenamtlichen Engagement zurück. Private Umstände fordern dies ein. „Das alles war ein Teil unseres Lebens, der wird nie bereut, nun beginnt aber ein neuer Lebensabschnitt“, erklärt Anita Löscher, die lange Zeit auch für den Gießener Anzeiger arbeitete, dennoch mit einem Lächeln im Gesicht.

Ihr Ehemann hat sich sogar die Mühe gemacht, seinen ehrenamtlichen Zeitaufwand einmal genau zu kalkulieren. Der Chemie- und Sportlehrer, der sich seit Februar diesen Jahres eigentlich im Ruhestand befindet, hier und da aber an der Anne-Frank-Schule aushilft, kramt eine Liste hervor, aus der detailliert hervorgeht, dass er in den letzten Jahrzehnten, alles in allem, rund 1,8 Jahre in ehrenamtliche Tätigkeiten investiert hat. „Nur so aus Interesse“ habe er dies ausgerechnet. Dem Betrachter drängt sich schnell großer Respekt auf für die Anstrengungen, die Friedel Löser mit seiner Frau in die Förderung des Handballs gesteckt hat.

Doch der Reihe nach. Ursprünglich kam Friedel Löser eigentlich aus einer ganz anderen Ecke der Sportwelt. Auch wenn er sich schon immer für viele Sportrichtungen interessierte und auch aktiv (und mit Erfolg) ausübte, so nahm seine sportliche Karriere ihren eigentlichen Anfang in der Leichtathletik. Besonders war Löser in jungen Jahren beim Speerwurf aktiv und erfolgreich. So wurde er 1977 unter anderem 5. bei den deutschen Leichtathletikmeisterschaften im Speerwurf. Im gleichen Jahr feierte der damalige Lehramtsstudent, der die Gießener Heimat wegen seines Studiums verlassen hatte, in Lissabon den Europapokalsieg mit seinem damaligen Verein TV Wattenscheid. 1977 nahm er auch am A-Länderkampf zwischen Deutschland und Großbritannien in London teil.

Die vorzeigbare Sportlerkarriere des gebürtigen Mittelhessen wurde 1979 allerdings jäh gestoppt. Aufgrund eines Muskelfaserrisses quittierte Friedel Löser den aktiven Leichtathletiksport um sein Studium, das die Jahre zuvor etwas gelitten hatte, in seiner alten Heimat zu beenden. Freilich immatrikulierte sich der Sport- „Tausendsassa“ nicht einfach nur an der Liebig-Uni, sondern suchte sich sogleich die nächste sportliche Herausforderung. Diese fand er zunächst als Trainer der 1. Frauenhandball-Mannschaft der TSG Leihgestern in der Bezirksliga.

Hier lernte er seine zukünftige Ehefrau Anita kennen. Beide entdeckten auch die gemeinsame Leidenschaft für den Sport. Daher entschlossen sie sich zur gemeinsamen Schiedsrichtertätigkeit, was Anfang der 80er Jahre allerdings nur parallel und nicht gemeinsam möglich war. Gemischte „Schiri“-Gespanne waren zum damaligen Zeitpunkt noch nicht akzeptiert. „Das alles begann aus dem Bestreben heraus, etwas gemeinsam machen zu wollen. Ich kenne es aus anderen Familien, wo jeder nur seine eigene Sache unternimmt. Das wollten wir nicht“, erklärt Friedel Löser, der damals fast jedes Wochenende für den Handball unterwegs war.

1983 übernahm das engagierte Ehepaar das Traineramt der 2. Mannschaft des Leihgesterner Handballvereins. „Das war schon sehr interessant, man lernt dabei, wie man mit Menschen und mit Teambildung umgeht“, so der pensionierte Sportlehrer, der auch in seinem Beruf den Umgang mit jungen Menschen stets zu schätzen wusste und sich viel für die Belange seiner Schüler einsetzte. Noch heute bekommt er viele positive Rückmeldungen von ehemaligen Schülern.

Die nächste Stufe ehrenamtlicher Tätigkeit erklommen die Lösers Mitte der 1980er Jahre. Von 1986 an fungierte das Ehepaar gemeinsam als Sekretär und Zeitnehmer im Handball, bei Bundesligapartien, Europapokal- und Länderspielen. Hierbei kamen die Lösers viel herum, diese Zeit haben sie sehr genossen. „Wir mussten immer zusammen anreisen, hatten vor dem Spiel viel Zeit zusammen. Das war sehr schön“, sagt Friedel Löser, der somit auch so manche Anekdote zu berichten weiß und mit seiner Frau so ziemlich alle Größen des Handballs persönlich kennengelernte, etwa Stefan Kretzschmar oder die Trainer-Legende Heiner Brand, mit dem Friedel Löser in seiner Jugend sogar gemeinsam den Wehrdienst absolviert hatte.

2010 beschloss das Ehepaar Löser, die Sektretär-/Zeitnehmer-Tätigkeit allmählich ausklingen zu lassen. „Wir wollten nicht ewig auf dem Stuhl kleben bleiben und der jungen Generation die Tür aufmachen. So haben wir auch schon gedacht, als wir noch jünger waren“, erklärt Löser. So wechselte das Lindener Ehepaar 2011 in die 3. Liga, wo sie nun ihre offizielle Funktion mit dem Saisonende beendet haben.

Heute kümmert sich das positiv eingestellte Pärchen vermehrt um die Belange der eigenen Familie, vor allem um die Enkel, es ist nun auch mehr Zeit für Urlaub und Entspannung. Auf ihre Zeit als Sportler und Ehrenamtliche blicken die Lösers gerne zurück. „Wir waren mit dem Handball schon ein bisschen verliebt“, so Friedel Löser. „Fast schon eine Doppelehe“, fügt seine Frau Anita kichernd hinzu. Wer die Freude der Lösers am Sport erlebt hat, kann ihr Engagement in den vergangenen Jahrzehnten gut verstehen.